Ernährung und Haltung
Allgemeines
Unsere Hauskaninchen werden seit der Römerzeit als Haustiere in Gehegen (Leporarien) gehalten.
Wildkaninchen sind weltweit verbreitet. Sie wurden gefangen und vermehrten sich in der Gefangenschaft gut. In Deutschland werden Kaninchen erstmals 1.149 n. Chr. erwähnt.
Unsere Hauskaninchen gehören in der zoologischen Systematik zu den hasenartigen Nagetieren. Sie sind mit unseren Feldhasen verwandt, unterscheiden sich aber im Körperbau und Verhalten stark von
ihnen. Das weltweit verbreitete Wildkaninchen lebt in Wäldern, auf Feldern, Spielwiesen, Spielplätzen, Gärten, und Stadtparks. Sie leben in unterirdischen Bauten, die sie mit den Vorderbeinen in den
sandigen Boden scharren. Ihre Wohnanlagen bestehen aus Hauptröhren mit Wohnkesseln und blind endenden Seitengängen. Wildkaninchen sind sehr ortstreu, ihr Revier erstreckt sich selten weiter als 200 m
um den Bau.
Viele unserer Heimtiere werden in Deutschland durch falsche Ernährung oder Haltung zu Tode gepflegt. "Der leise Tod der Kuscheltiere" wird von uns Menschen oft nicht bemerkt. Nur wenige erreichen ihr
natürliches Lebensalter.
Einer der Hauptgründe für den vorschnellen Tod von unseren Hauskaninchen ist falsche Ernährung. In bester Absicht werden sie überfüttert und gehen wegen Überfettung ihrer Organe qualvoll
zugrunde.
Fütterung
Sie nehmen ihre Nahrung mit den Schneidezähnen und den Lippen auf. Die Vorderpfoten sind nicht zum Greifen und
Festhalten der Nahrung geeignet, sondern Grabwerkzeuge. Lange Stengel werden mit den Schneidezähnen abgebissen und mit der Zunge in die Mundhöhle befördert. Kleine Nahrungsstücke werden mit den
Lippen erfasst und in die Mundhöhle befördert und abgeschluckt. Die Schneidezähne benagen grössere Futterobjekte (Äpfel, Birnen, Aprikosen, Pfirsiche, Äste, Kohlrabi, gekochte Kartoffeln, trockenes
Brot etc.) und werden von den Backenzähnen zerkleinert.
Die Backenzähne wachsen täglich einige Millimeter nach und nutzen sich beim Zerkleinern und Zermahlen der Nahrung ab. Der Kauapparat und der Magendarmtrakt unseres reinen Pflanzenfressers Kaninchen
ist auf ständiges, rohfaserreiches Nahrungsangebot (Heu und Stroh) ausgerichtet. Kaninchen sind keine Körnerfresser! Milchdrops oder andere nicht artgemässe Nahrungsmittel sollten aus dem Speiseplan
verbannt werden.
Unsere Kaninchen müssen in kleinen Portionen über den gesamten Tag verteilt Futter aufnehmen, denn das Futter wird nicht durch die sehr dünne Muskelschicht in Magen und Darm weiterbewegt, sondern
durch Aufnahme und Nachschieben des Futters. Die Wasseraufnahme erfolgt überwiegend indirekt über Pflanzen mit hohem Wassergehalt und Tau- und Regentropfen, die an Pflanzen hängen; selten an
Wasserstellen in kauend-schöpfender Art. Unsere Hauskaninchen haben gelernt sich der Nippeltränken zu bedienen.
Urin- und Kotabsatz
Urin setzen Männchen und Weibchen mit einem senkrechten Strahl nach unten ab. Zur Reviermarkierung können beide aber
auch durch Anheben des Hinterteils “Spritzharnen” - vor allem die Männchen bis zu 1,5 m Höhe !!
Trockene, perlenförmige Kotpellets werden ständig im Laufe des Tages nach dem Rein-Raus-System abgesetzt.
Das Kaninchen hat noch eine zweite Kotart, den weichen Blinddarmkot. Er wird von unseren Kaninchen unmittelbar vom Anus oral aufgenommen und einer zweiten Magendarmpassage zugeführt. Sie sind
obligate Kotfresser, denn sie nehmen die restlichen Nährstoffe, aber Verdauungsenzyme und Darmbakterien erneut auf.
Alte Kaninchen, oder Tiere mit Wirbelsäulenerkrankungen (Ursache sind zu kleine Käfige) können diesen lebensnotwendigen Stuhl nicht mehr aufnehmen. Er hängt dann an ihrem After. Diese Tiere würden an
Verdauungstörungen sterben, doch Sie können ihnen helfen, indem Sie den Kot täglich vom After abnehmen und zum Fressen in den Käfig legen.
Haltung
Bei der Wohnungs- und Käfighaltung müssen unsere Kaninchen ihre natürlichen Fortbewegungsarten Hoppeln, Rennen,
Rutschen, Hakenschlagen, Springen, Hochspringen und Springlaufen absolvieren können.
Kaninchen liegen meist in Kauerlage. Sind sie ganz entspannt, liegen sie in Bauchlage, Seitenlage oder Bauchseitenlage mit eingezogenen oder nach hinten gestreckten Hinterläufen.
Sie liegen aber nie freiwillig in Rückenlage. Kaninchen schlafen nur wenige Sekunden bis Minuten richtig fest.
Wenn mehrere Tiere gleichzeitig gehalten werden gibt es eine lineare Rangordnung, separat bei den weiblichen und männlichen Tieren. Die Kontaktaufnahme erfolgt durch Beschnuppern der anderen
Kaninchen am Kopf und Hinterteil.
Der Käfig sollte eine Länge von 3 bis 4 Hoppelsprüngen (Hoppelsprung 30 - 50 cm je nach Tiergrösse) und eine Breite 1 1/2 bis 2 Hoppelsprüngen haben. Das Männchenmachen muss möglich sein (mindestens
50 cm hoch).
Im Käfig sollten saugfähige Einstreu, (Sand, Papierschredder etc.), Röhren und Versteck- und Unterschlupfmöglichkeiten sowie Nage- bzw. "Spiel"möglichkeiten vorhanden sein. Die ganzjährige
Freilandhaltung ist ideal, sollte aber aus- und einbruchssicher sein.
Lautäusserungen sind selten, es gibt das Nasalgrunzen von Weibchen, die nicht im Östrus sind und von Männchen bedrängt werden. Das Schreien kommt nur in grösster Angst und Panik oder bei Schmerzen
vor.
Verhalten
Kaninchen sind "Streithammel" mit breitem aggressiven Verhaltensrepertoire. Das ist normales Verhalten! Das
in-den-Rücken-Beißen von Zippen kommt häufiger vor als bei Rammlern. Zippen beissen in die Schenkelinnenflächen und Inguinalbereich, Rammler in den Hodenbereich. Zippen sind generell aggressiver als
Böcke.
Junge Wildkaninchen kommen abseits des Zentralbaus in Setzröhren zur Welt. Haus- kaninchen werden mit dem Muttertier zusammengehalten. Dies ist unnatürlich und führt häufig zum Anfressen oder Töten
der Jungtiere.
Wildkaninchenmütter ziehen sich deutlich von den Jungtieren zurück. Junge werden nach der Geburt nur vier Wochen, und zwar einmal täglich für 2 - 5 Minuten gesäugt. Bei Hauskaninchen ist das Säugen
etwas häufiger (3 - 4 x täglich). Bis zum 12. Lebenstag erfolgt die Ernährung durch die sehr gehaltvolle Muttermilch. Danach müssen die Jungen dazufressen, um satt zu werden. Die Augen- und
Ohrspalten öffnen sich mit dem 14. -16. Lebenstag
Rammler bilden eine lineare = stabile Rangordnung. Jeder beherrscht die Rangniederen und wird selbst von Ranghöheren kontrolliert. Die Rangkämpfe sind heftig, jedoch von kurzer Dauer. Der Unterlegene
flieht.
In der Fortpflanzungszeit liefern sich die Rammler Kommentkampf ohne ernste Verletzungen. Je grösser die Rammleranzahl, desto häufiger diese Kämpfe.
Zippen zeigen bei gleichaltrigen Rammlern Unterwürfigkeit. Zippen haben unklare Rangverhältnisse. Friedliche Beziehungen zu rangniederen Weibchen sind selten, meist haben sie keine "freundliche"
Beziehung mit anderen Zippen.
Je klarer die Rangverhältnisse, desto weniger tritt aggressives Verhalten auf.
Die Gruppengrösse wird begrenzt durch die Unfähigkeit von Zippen, mit mehr als drei oder vier Zippen zusammen zu leben. Der Status eines Tieres in der Gruppe hängt ab vom Alter, der Entwicklung,
Grösse der Hautdrüsen und der Menge der von diesen produzierten Duftstoffe - Pheromone.
Die Tiere mit den grössten Analdrüsen nehmen einen hohen Rang ein. Dies ist unabhängig vom Körpergewicht.
Die Analdrüsen der Männchen sind grösser als die der Weibchen.
Kaninchen, die in das Territorium einer fremden Gruppe eindringen, werden stets angegriffen. Das aggressionsauslösende Signal ist der fremde Gruppengeruch. Kämpfe mit Gruppenfremden sind immer
Beschädigungskämpfe!
Die Einzelhaltung ist nicht artgerecht!! Ein kastrierter Bock und eine oder mehrere Zippen ist ideal.
Besonderheiten
Kaninchen erkennen nur bewegte optische Reize. Sie haben ein grosses Gesichtsfeld von 180 Grad pro Auge, also eine
Rundumblick ohne blinde Fläche. Dies ist allen Fluchttieren eigen. Ihr Riechvermögen ist gut. Das Gehör ist sehr gut. Ihre Ohren sind ein bewegliches Hörrohr und Schallverstärker.
Das Anheben im Nackenfell macht sie starr vor Angst, wie in den Greifvogelfängen! Die Rückenlage ist immer eine Starre mit Fluchtabsichten! Das Anheben an den Ohren tut weh.
Kaninchen sollten gegen Myxomatose (am besten im Februar/März) und chinesische Kaninchenpest geimpft werden! Freilaufende Kaninchen sollten einmal im Jahr entwurmt werden.
Die gemeinsame Haltung mit Meerschweinchen ist nicht empfehlenswert und artgerecht. Beide Tierarten haben sehr unterschiedliche Verhaltensweisen und Lautäusserungen. Diese Haltung bedeutet für beide
Stress.
von Dr. Wolf-Dieter Schmidt, Wolfsburg, Fachtierarzt für Verhaltenskunde