Ernährung und Haltung

Allgemeines

Die Domestikation unserer Hausmeerschweinchen begann vor 3000 Jahren im Andengebiet. Es gehört zu den Nagetieren und zur Unterordnung Hystricomorpha (Stachelschweinartige), Unterunterordnung Caviomorpha (Meerschweinartige). Die Caviomorpha sind die ältesten Nagetiere Südamerikas und besetzen dort nahezu alle Lebensräume.
Viele unserer Heimtiere werden in Deutschland durch falsche Ernährung oder Haltung zu Tode gepflegt. "Der leise Tod der Kuscheltiere" wird von uns Menschen oft nicht bemerkt. Nur wenige erreichen ihr natürliches Lebensalter!
 
Einer der Hauptgründe für den frühen Tod unsere Hausmeerschweinchen ist falsche Ernährung. In bester Absicht werden sie überfüttert und gehen wegen Überfettung ihrer Organe qualvoll zugrunde.

 

Ernährung

Unsere Meerschweinchen nehmen ihre Nahrung mit den Schneidezähnen und den Lippen auf. Die Vorderpfoten sind nicht zum Greifen und Festhalten der Nahrung geeignet, sondern Grabwerkzeuge. Lange Stengel werden mit den Schneidezähnen abgebissen und mit der Zunge in die Mundhöhle befördert. Kleine Nahrungsstücke werden mit den Lippen erfasst, in die Mundhöhle befördert und abgeschluckt. Die Schneidezähne benagen größere Futterobjekte (Äpfel, Birnen, Aprikosen, Pfirsiche, Äste, Kohlrabi, gekochte Kartoffeln, trockenes Brot etc.) und werden von den Backenzähnen zerkleinert.
Die Backenzähne wachsen täglich einige Millimeter nach und nutzen sich beim Zerkleinern und Zermahlen der Nahrung ab. Der Kauapparat und der Magendarmtrakt unseres reinen Pflanzenfressers ist auf ständiges, rohfaserreiches Nahrungsangebot ausgerichtet. Diese Tiere sind keine Körnerfresser!
Milchdrops oder andere nicht artgemässe Nahrungsmittel sollten aus dem Speiseplan verbannt werden.
Unsere Meerschweinchen müssen in kleinen Portionen über den gesamten Tag verteilt Futter aufnehmen, denn das Futter wird nicht durch die sehr dünne Muskelschicht in Magen und Darm weiterbewegt, sondern durch Aufnahme und Schieben des Futters.
Die Wasseraufnahme erfolgt überwiegend indirekt über die Pflanzen mit hohem Wasser- gehalt und Tau- und Regentropfen, die an Pflanzen hängen, an Wasserstellen selten in kauend-schöpfender Art.
Unsere Meerschweinchen haben gelernt, sich der Nippeltränken zu bedienen.


wichtigste Nahrungsgrundlage ist Heu, Wasser und Frischfutter (Paprika, Sauerampfer, Löwenzahn, Petersilie, Spinat, Rote Beete, Gartenkresse, Fenchel)
Kein Weisskohl, Rotkohl, Rosenkohl und nur vorsichtig Kohlrabi
keine rohen Kartoffeln und keine grünen Bohnen!

Wie der Mensch können unsere Meerschweinchen Vitamin C nicht selbst herstellen und müssen es mit der Nahrung aufnehmen. Vitamin C befindet sich in Frischfutter (s.o.) und Vollkornbrot. Zur Not kann Vitamin C auch über das Trinkwasser verabreicht werden. Erwachsene Meerschweinchen benötigen 10 bis 30 mg Vitamin C pro Tag.
Meerschweinchen gewöhnen sich an ein bestimmtes Futter. Ihre Darmbakterien stellen sich darauf ein. Wird plötzlich das Futter umgestellt, kommt die Verdauung durcheinander. Alle Futterumstellungen, aber auch andere Änderungen im Käfig, der Käfigumgebung, ja der gesamten Haltung sollte man nach und nach durchführen.
Trockene, perlenförmige Kotpellets werden ständig im Laufe des Tages nach dem Rein - Raus- System abgesetzt. Das Meerschweinchen hat noch eine zweite Kotart, den weichen Blinddarmkot. Er wird von unseren Meerschweinchen unmittelbar vom After oral aufgenommen und einer zweiten Magendarmpassage zugeführt. Sie sind obligate Kotfresser, denn sie nehmen die restlichen Nährstoffe, Verdauungsenzyme und Darmbakterien erneut auf. Alte Meerschweinchen, oder Tiere mit Wirbelsäulenerkrankungen (Ursache sind zu kleine Käfige) können diesen lebensnotwendigen Stuhl nicht mehr aufnehmen. Er hängt an ihrem After. Diese Tiere würden an Verdauungsstörungen sterben. Sie können ihnen helfen, indem Sie den Kot täglich vom After abnehmen und zum Fressen in den Käfig legen.

 

Soziale Struktur

Mehrere Männchen leben friedlich - bei genügend grossen Gehegen - miteinander - ohne Hierarchie. Um Weibchen und Gebiete wird in kurzen Kommentkämpfen ohne ernsthafte Verletzungen gerungen. In engen Käfigen ist es oft anders. 
Das Hausmeerschweinchen muss die Anpassungsfähigkeit an die Umwelt lernen, sie ist ihnen nicht angeboren. Sie sind sehr stressanfällig gegenüber Veränderungen aller Art, wie Futteränderungen, Käfig-Inneneinrichtungen, neue Käfige, Platzveränderungen des Käfigs oder Verlust des zweiten Meerschweins. Immer nur langsam an Neues gewöhnen! Nahrungs- und Wasserverweigerung sind Warnhinweise auf Erkrankungen oder soziale Überforderung. Ein zweites Meerschwein als Bindungspartner ist für sie Stressminderung!

 

Anforderungen an den Käfig

  • mindestens 0,4 qm pro Tier
  • saugfähige Einstreu (wegen Stauballergien und Milbenbefall besser Papierschredder oder Sand als Sägespäne)
  • Unterschlupfmöglichkeiten
  • Knabber- und Spielmaterialien

Den Käfig spätestens jeden 3. Tag reinigen, sonst können vermehrt Krankheiten wie beispielsweise Kokzidiose auftretenEine ganzjährige Freilandhaltung ist sehr gut. Das Gehege muss ein- und ausbruchsicher sein und ein trockenes, windgeschütztes Rückzugsgebiet haben.Die gemeinsame Haltung von Meerschweinchen und Kaninchen als Einzeltiere in einem Käfig ist abzulehnen, da beide verschiedene Tierarten mangelhafte oder keine Kommunikationsmöglichkeit, unterschiedliche Mimik und Körpersprache, unterschiedliche Verhaltensweisen, unterschiedliche Laute mit verschiedenen Bedeutungen und unterschiedliche Ruhe- und Fressgewohnheiten haben. Diese Haltung bedeutet für beide Arten Stress.

von Dr. Wolf-Dieter Schmidt, Wolfsburg, Fachtierarzt für Verhaltenskunde